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Interview mit Professor Hoffmann – Ferienkur für chronisch nieren- und leberkranke Kinder

Alljährlich führt die Kinderklinik mit finanzieller Unterstützung der Stiftung COURAGE im Sommer eine zweiwöchige Ferienkur für Dialysepatient:innen sowie nieren- und lebertransplantierte Kinder und Jugendliche durch. Unter Sicherstellung der aufwändigen medizinisch-pflegerischen Behandlung und einer fachgerechten psychosozialen Betreuung fahren rund 25 Kinder und Jugendliche zusammen in den Nordschwarzwald. Dort können sie sich bei gemeinsamen Ferienerlebnissen von den Belastungen erholen und werden geschult, schrittweise immer mehr Eigenverantwortung für ihre medizinische Behandlung zu übernehmen.


Professor Georg F. Hoffmann, Geschäftsführender Direktor am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin (Kinderklinik)hat 2002 die Initiative COURAGE ins Leben gerufen und ist heute Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung COURAGE. Aus persönlichem Interesse und Anteilnahme besuchte Professor Hoffmann die Kinder und Jugendlichen in der diesjährigen Ferienkur. Wir konnten mit Professor Hoffmann sprechen und seine Eindrücke und Erlebnisse im Interview festhalten.


Herr Professor Hoffmann, Sie haben zusammen mit Ihrer Frau die Ferienkur sonntags besucht. Nehmen Sie uns mit, wie ist der Tag abgelaufen? Wie waren Ihre Eindrücke?

Es war sehr beeindruckend und ein tolles Erlebnis für uns. Als wir ankamen, herrschte eine sehr entspannte und angenehme Atmosphäre. Zur Begrüßung gab es ein großes Hallo und alle haben sich sehr gefreut, dass wir da sind. Ein buntes Miteinander, kleinere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Meine Frau und ich konnten richtig eintauchen in diese tolle Gruppe. Es war einfach schön und wir haben uns sehr wohl gefühlt.

Über den Tag verteilt gab es ein buntes und abwechslungsreiches Programm.  Zu Beginn wurden wir beim Tischkicker und Tischtennis herausgefordert – wobei ich gestehen muss, dass ich bei diesen Disziplinen konkurrenzlos schlecht war – obwohl ich regelmäßig Yoga mache (lacht). Für die Kinder war der Wettbewerb sehr wichtig, sie nahmen die Spiele ernst und waren mit Eifer dabei.


Sie waren also von den ersten Minuten an voll integriert?

Ja absolut, wir wurden sofort von allen herzlich aufgenommen, in alles einbezogen und z.B. beim Essen sehr nett umsorgt. Sehr erstaunlich, da viele Kinder mich nicht persönlich kannten. Die Gruppe ist ja nicht zusammengewachsen, ein:e Patient:in kommt montags in die Ambulanz der/die andere Patient:in dienstags. Deshalb ist die Ferienkur so wichtig, die Kinder und Jugendlichen haben hier die Chance andere Betroffene mit der gleichen Krankheit kennen zu lernen. Die Krankheit ist sehr selten und ein betroffenes Kind wird in seiner Schule kein weiteres finden.

Ich bin seit über 40 Jahren in der Kinder- und Jugendmedizin und ich muss sagen, dass diese Kinder vielleicht sogar das schwerste Schicksal haben. Wobei die Krankheiten sich natürlich nicht vergleichen lassen und es ist schwierig zu sagen was schwerer ist, aber zum Beispiel ist eine Krebserkrankung in der Regel nach einem halben Jahr vorbei. Danach erholen sich die Patienten und Patientinnen, aber mit den Nierenkrankheiten ist man immer nierenkrank. Das gesamte Leben, man braucht immer medizinische Betreuung und Unterstützung.


Wie ist die medizinische Betreuung in der Ferienkur zu leisten? Wer begleitet die Kinder in der Ferienkur?

Mehrere Räume waren voll mit Gerätschaften, da fast jeder Patient, jede Patientin eine etwas andere Therapie braucht. Alles musste mitgenommen werden. Ich war über die Komplexität erstaunt und dass alles so perfekt funktionierte. Die Kinder werden von einem Team aus Kinderärzt:innen, Pflegekräften, Psycholog:innen und Pädagog:innen betreut und versorgt. Eine Lehrerin brachte ihren Sohn mit zur Ferienkur, der als nierengesunder Inklusion übte – ganz toll. Insgesamt ist es aber nicht einfach, wir haben Personalsorgen und es musste entschieden werden, wer mit muss oder darf.

Ich möchte an dieser Stelle insbesondere den über zehn teilnehmenden Ärzt:innen und Schwestern sowie den freiwilligen Helfern mein Lob und meine Anerkennung aussprechen. Die Organisation hat sensationell gut funktioniert, obwohl es aufgrund der Corona-Situation besondere Anforderungen gab. Aber alle haben auf uns einen sehr glücklichen Eindruck gemacht, und die Tatsache, dass das nächste Jahr bereits gebucht ist, zeigt, dass alle mit Begeisterung dabei sind. Daher vielen Dank für den Einsatz und das großartige Engagement.


Wie viele Kinder und junge Erwachsene waren 2022 bei der Ferienkur?

24 Kinder und Jugendliche. Viele junge Menschen waren sehr vertraut miteinander, weil sie sich schon von vorherigen Ferienkuren kannten, einige waren zum ersten Mal bei der Ferienkur und lernten alles noch kennen.

Zwei junge Erwachsene kamen für zwei Tage, um den jüngeren Teilnehmer:innen von ihren Erfahrungen zu berichten. Ein junger Erwachsener aus Hamburg, der seit 15 Jahren nierenkrank ist, kam, um sich mit den Teilnehmern auszutauschen, um zu erzählen wie wichtig diese Zeit in der Ferienkur ist. Sie sollen die Zeit nutzen und lernen mit der Krankheit umzugehen.


Für die betroffenen Kinder und deren Eltern ist es eine enorme Leistung mit der Nierenkrankheit zu leben und alles richtig zu machen.

Das ist absolut richtig. Es sind ja ganz normale Menschen die es aber sehr schwer haben, ihren Weg zu gehen. Sie haben ein schweres Schicksal, sie haben diese Krankheit. Die Ferienkur gibt eine wichtige Hilfestellung, damit sie ein möglichst normales Leben führen können. Eine Hilfestellung, die wir sonst im Klinikalltag so nicht geben können.

Die betroffenen Familien fahren ja kaum oder nie in den Urlaub. Erwachsene können in der Umgebung von Nierenzentren Urlaub machen und bei Heimdialyse alle Gerätschaften mitnehmen. Prinzipiell also schon möglich aber in der Praxis sehr schwer umsetzbar.

Bei der Ferienkur können die Kinder und Jugendlichen so mit ihren Themen vorankommen. Das ist eine wunderbare Erfahrung.  Eltern wissen, ihre Kinder sind in der Zeit der Ferienkur professionell und sehr gut versorgt. Sie können etwas von der hohen Belastung abgeben und ein Stückchen loslassen.

Aber natürlich darf man nicht vergessen, dass nierentransplantierte Kinder oft das Organ von Mama oder Papa bekommen, da dieses halbwegs passt. Ansonsten wartet man durchschnittlich zehn Jahre auf eine Niere. Gerade in der herausfordernden Phase der Pubertät steigt die Gefahr, die Niere zu verlieren.


Das ist sehr dramatisch, da es lebensbedrohliche Folgen hat. Was passiert, wenn die Niere verloren geht?

Wenn die Niere weg ist, dann muss das Kind wieder 3x wöchentlich zur Dialyse und ca. elf Jahre auf eine neue Spenderniere warten. Das ist eine Lebenskatastrophe. 3x die Woche für 4-5 Stunden zur Dialyse plus Fahrzeit von z.T. bis 1,5 Stunden. Das macht das Leben wirklich kompliziert, schwierig für Schule, Ausbildung/Beruf und Freundschaften.

Und auch die Möglichkeit die Dialyse über Nacht zu Hause durchzuführen ist schwierig wegen möglicher Komplikationen.


Die Ferienkur kann den Kindern helfen, zu erkennen welchen Beitrag ihr Verhalten auf ihre Krankheit hat?

Absolut. Es ist extrem wichtig, dass die nierenkranken Kinder lernen, mit ihrer Krankheit bestmöglich zu leben und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Soziale Kontakte unter Gleichbetroffenen und reguläre Jugendaktivitäten unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen gesundheitlichen Grenzen, stärken die Kinder und Jugendlichen auf ihrem nicht einfachen Lebensweg. Sowohl für die jungen Patienten und Patientinnen, als auch für ihre Eltern und Geschwister ist diese Auszeit dringend notwendig, denn alle gemeinsam müssen das ganze Jahr über viel Kraft für die Bewältigung der Erkrankung aufbringen.


Lieber Herr Professor Hoffmann, herzlichen Dank für das Gespräch und die Einblicke, die Sie uns gewährt haben. Wir freuen uns, wenn die Ferienkur nächstes Jahr bereits fest geplant stattfinden kann und wir von COURAGE einen Beitrag leisten können. Vielen Dank.

Trotz der Schwere war es ein wirklich schöner Sonntag. Alles hat hervorragend geklappt. Mein besonderer Dank geht an Herrn Bethe, der die Ferienkur seit Jahren leitet und organisiert. Ebenso an sein gesamtes Team. Die Arbeit ist ausgezeichnet und hilft den Kindern sehr.

Meine Frau und ich überlegen bereits, nächstes Jahr der Ferienkur wieder einen Besuch abzustatten.


Herzlichen Dank

Univ.-Prof. Dr. med., Prof. h.c. (RCH) Georg F. Hoffmann
Vorsitzender des Kuratoriums und Initiator der Stiftung COURAGE

Bilder COURAGE Ferienkur 2022